Das
Nächste
Fiasko
Ich kann nicht mehr. Die Nerven liegen blank, Stress, Hektik, seit Tagen habe ich kaum geschlafen, eine Hiobsbotschaft oder Herausforderung nach der anderen, noch dazu ernstzunehmende mit langfristigen oder schwerwiegenden Auswirkungen.
Das war die mit Abstand schlimmste Woche seit vielen Jahren
.
Trotzdem oder eher deswegen fahren wir nach Rothenburg ob der Tauber.
Alles ist bestens organisiert, ich erhalte sogar einen GPS-Tracker, damit man weiß, wo ich mich befinde(war das Jahr zuvor ein Vorschlag von Herzblatt, wobei manche schmunzelnd bemerkten, dass der Tracker nach dem Rennen wieder abgegeben werden müsse
Nach einem beeindruckenden Fackellauf durch die mitteralterliche Stadt werden wir im Burghof von einem Ritter beauftragt eine Botschaft in die Zielorte Bad Mergentheim(50km), Tauberbischofsheim (71km), Wertheim(100km) oder Gmünden(100mi) zu bringen.
Nach einem steilen Abstieg ins Taubertal starten 250 Läufer um 6 Uhr in völliger Dunkelheit. Bald pendele ich mich mit meinem gewohnten 6er Schnitt ein, lediglich etwas langsamer durch einige Hügel. Nach 30 km in 3.06 Std. merke ich die Belastung der letzten Tage, die Beine, besonders die Oberschenkel machen langsam zu. Ich nehme Tempo raus, achte darauf oberes GA1 nicht zu überschreiten. Die Landschaft ist herrlich, das Wetter zum Genießen, allein meine Gedanken sorgenschwer in anderen Dimensionen.
Bad Mergentheim passiere ich nach 5.26 Std. Kein Vergleich zu meinen Urlaushochstimmungen vor einigen Woche(5.12 Std.), doch im Gegensatz zu 2017 trabe ich jetzt weiter. Langsam , aber kontinuierlich.
Es wird immer schwerer, jeder Auftritt schmerzt. Ich versuche den Schmerz zu umarmen, ich will heute ins Ziel.
Nach 8.16 Stunden bin ich in Tauberbischofsheim, 37 min weniger langsam als im Jahr zuvor, doch jetzt völlig platt.
Ich hätte aufhören sollen, doch irgendetwas in mir blendet die Vernunft aus, ich haste schnell weiter, ehe ich mir es anders überlegen könnte.
Kurze Zeit später in einem Park rennt ein kleiner Bub kurz mit mir mit, überholt mich und meint zu seinen Eltern: der läuft aber langsam
.
Das Anlaufen fällt mir schon länger schwer, die Krämpfe und Schmerzen in den Oberschenkeln sind zu stark, nach dem zweiten Hügelchen gebe ich auf, marschiere.
Schön wärs, das ist kein Wandern, kein Gehen, eher ein Stolpern, jeder Auftritt raubt mir den Atem. Jetzt beginnt das langsame Sterben. Wenn ich aufhöre kassiere ich ein DNF. Das erste überhaupt und doch ist es mir völlig egal. Ich kann nicht mehr. Die Last der letzten Tage und Wochen erdrückt mich, verkrampft alles.
An der Verpflegungsstelle bei Km 76 treffe ich Herzblatt. Ich will etwas trinken, geht nicht, mein Kreislauf ist am wegsacken. Zum Glück ist zufällig eine Bank in der Nähe. Ich lege mich hin. Herzblatt hält meine Füße hoch, aus und vorbei. Ich mag nicht mehr. Ich sage ihr, dass ich aufhöre, DNF hin oder her. Ich habe kein Lust zwischendurch umzukippen und es wären sonst noch mindestens 5 Stunden Quälerei.